Netzwerktechnologien jenseits von 5G haben es im Moment schwer, Aufmerksamkeit zu bekommen. Der Mobilfunkstandard der fünften Generation dominiert die öffentliche Diskussion – auch wenn es um den Einsatz im Internet der Dinge (IoT) geht. Als mögliche Alternative zu 5G ist allenfalls noch von Narrowband IoT die Rede. Doch für viele IoT-Anwendungen sind diese Technologien eigentlich überdimensioniert – auch von den Kosten her. Zudem überall dort, wo Anforderungen wie eine geringe Latenz oder eine große Bandbreite nur eine untergeordnete Rolle spielen. Etwa, wenn Informationen von Stromzählern oder Produktionsmaschinen analysiert werden sollen, wo es weder um große Datenmengen noch um erforderliche Reaktionszeiten im Bereich von Millisekunden geht.
Für solche Anwendungen können Low Power Wide Area Networks (LPWAN) eine Netzwerkalternative sein. Dazu zählt LoRa (Long Range) – ein Funkstandard mit großer Reichweite. Er stellt die physikalische Schicht dar, um die Kommunikationsverbindungen zu schaffen. LoRaWAN ist der Name des dazugehörigen Kommunikationsprotokolls. Dieses ermöglicht eine mehrjährige Batterielebensdauer und wurde für Sensoren entwickelt, die eher in großen Zeitintervallen – etwa alle paar Stunden – kleine Datenmengen senden müssen. Die Kosten für Infrastruktur und Software sind geringer als bei 5G, Narrowband IoT oder Wi-Fi. Das liegt unter anderem an der großen Reichweite. „Wenn man etwa mit Wi-Fi ein Netzwerk in einer Stadt oder einem größeren Gelände aufbauen will, dann muss man alle 50 oder 100 Meter ein Gateway platzieren“, erklärt Jaap Groot, Vice Chair Europe der LoRa Alliance, deren Ziel es ist, LPWAN-Technologien zu fördern. „Bei LoRa braucht man dagegen nur einen pro zehn Kilometer.“
Hinzu kommt ein weiterer Vorteil: LoRaWAN nutzt den lizenzfreien Frequenzbereich 868 Megahertz. Wer möchte, kann ein entsprechendes Funknetzwerk selbst aufbauen. Es gibt keine Abhängigkeit von einem großen Provider wie bei zellulären Technologien.
Gemeinde Wüstenrot setzt schon jetzt auf LoRaWAN
Diese Eigenschaften machen LoRaWAN für eine ganze Reihe von Anwendungsgebieten attraktiv. Dazu zählt etwa das Themenfeld Smart City. Für Städte und Gemeinden ist es ein gewichtiges Argument, Netzwerkkommunikation für IoT-Projekte möglichst einfach und kostengünstig umsetzen zu können.
Auch für die Gemeinde Wüstenrot war das einer der Gründe, auf LoRaWAN zu setzen. „Wir brauchten eine bezahlbare Technologie“, sagt Thomas Löffelhardt, Technischer Leiter und Energiebeauftragter der Gemeinde Wüstenrot. Zudem stelle die Topografie der Gemeinde mit ihren Bergen und Tälern für die Funkkommunikation eine Herausforderung dar, die am besten mit der LoRa-Technologie zu bewältigen sei. Für die Kommune, die an Vergaberichtlinien gebunden ist, war es außerdem wichtig, dass sie die Infrastruktur in Eigenregie aufbauen und bei der technischen Unterstützung auf Angebote aus dem freien Markt zurückgreifen konnte – und nicht auf die von einem oder zwei großen Providern.
Die Gemeinde Wüstenrot nutzt LoRaWAN seit dem vergangenen Jahr für das Erfassen der Wärme- und Stromverbräuche in den kommunalen Gebäuden. Künftig sollen noch viele weitere Anwendungen hinzukommen. Dazu zählt etwa das Messen des CO₂-Gehalts in Schulräumen. Geplant ist außerdem der Einsatz der Netztechnologie für die Parkraum-Überwachung, den Hochwasserschutz, die Gebäudesicherheit und die Straßenbeleuchtung. Die dafür erforderlichen Sensoren, die derzeit noch entwickelt werden, sollen bis spätestens 2021 installiert sein. „Wir haben unser Gemeindegebiet flächendeckend mit der LoRa-Technik abgedeckt“, sagt Löffelhardt. Die Entfernungen zwischen Sensor und Basisstation betragen bis zu zehn Kilometer. Im gesamten Gebiet seien sieben oder acht Gateways installiert, schätzt Löffelhardt. Aufgrund der umfangreichen Nutzung der Technologie und der praktischen Anwendung und seiner Erfahrungen ist Löffelhardt inzwischen ein sehr gefragter Gesprächspartner für andere Gemeinden. Im Schnitt erhält er pro Monat etwa zehn Anfragen von Kommunen, die sich über den Einsatz von LoRaWAN informieren möchten.
Vier Anwendungsbereiche bieten sich besonders an
Smart City ist laut Groot eines von vier Hauptanwendungsgebieten der LoRa-Technologie. Ein weiteres ist der Bereich Smart Building. Hier nutzen etwa Sicherheitssysteme den Kommunikationsstandard. Daneben wird die Technik in der Logistik eingesetzt, beispielsweise um Objekte wie Container entlang der Lieferkette zu orten. Auch die Landwirtschaft setzt auf Funkkommunikation mit großer Reichweite: Außer Sensoren, die den Feuchtegehalt des Bodens per LoRaWAN an ein zentrales System melden, können mithilfe der Netzwerktechnik auch die Bewegungen von Nutztieren verfolgt und somit Rückschlüsse auf deren Gesundheit geschlossen werden.
Groot sieht aber auch in Produktionsumgebungen viel Potenzial für LoRaWAN. Wenn die Zustände von Maschinen abgefragt werden und dafür ein Sensor „nur einmal am Tag eine Meldung abgibt, ist eine synchrone Kommunikationstechnik wie 5G gar nicht geeignet“, so der Experte. Attraktiv für Industrieunternehmen ist zudem die Möglichkeit, sich eine Netzinfrastruktur selbst aufbauen zu können. Laut Groot haben Autobauer wie etwa BMW bereits ihr Interesse an LoRaWAN bekundet.
Die Technik hat allerdings auch recht klar zu umreißende Grenzen, weshalb Groot sie als Ergänzung zu 5G versteht. „In Anwendungen, wie etwa in der Robotik, die eine geringe Latenz benötigen, wird man 5G nutzen.“ Für eine vorausschauende Wartung könne man dagegen eher auf LoRaWAN zurückgreifen.
Nicht nur hierzulande, auch weltweit ist das Potenzial der LoRa-Technologie von Interesse. Laut der Website der LoRa-Alliance gibt es mittlerweile in 143 Ländern LoRaWAN-Installationen. Die geschätzte Zahl von LoRa-Knoten liegt aktuell bei 105 Millionen, bis Ende des Jahres erwarte die LoRa-Alliance ein Anwachsen auf 130 Millionen – eine Nischentechnologie ist LoRaWAN also keineswegs.
Markus Strehlitz ist freier Journalist und Redakteur beim VDE dialog.