Einen Mangel an Ambitionen kann man Anne Patricia Sutanto sicherlich nicht vorwerfen. Die Unternehmerin ist Direktorin des indonesischen Textilproduzenten Pan Brothers, der in dem südostasiatischen Land zu den Marktführern zählt. Doch das ist Sutanto nicht genug. Sie will ihr Unternehmen, das seinen Hauptsitz im Westen der Insel Java hat, in den kommenden Jahren zum größten Textilhersteller Asiens ausbauen. Bis 2035 hält sie es sogar für möglich, zur weltweiten Nummer eins in der Branche aufzusteigen. Aus den zwei Dutzend Fabriken des Unternehmens kommen schon jetzt mehr als 110 Millionen Textilien pro Jahr – das sind jede Sekunde fast 200 Stück. Sie gehen fast ausschließlich in den Export und landen bei Markenunternehmen wie Adidas, Uniqlo oder Lacoste. Bis zum kommenden Jahr will Sutanto die Kapazitäten auf 130 Millionen Stück im Jahr erhöhen. Um das Ziel zu erreichen, investiert sie kräftig in die Digitalisierung und Automatisierung des arbeitsintensiven Gewerbes. „Mein Motto ist es, schnell zu entscheiden, das Ergebnis zu überwachen und den Kurs zu ändern, sollte es nötig sein“, sagte Sutanto kürzlich in einem Interview. Ihre Modernisierungen fielen auch der indonesischen Regierung in Jakarta positiv auf: Sie prämierte Pan Brothers als eines von fünf Musterbeispielen in Sachen Industrie 4.0.
Indonesiens Präsident Joko Widodo, von seinen Landsleuten meist kurz „Jokowi“ genannt, hat sich zum zentralen Ziel seiner zweiten Amtszeit gesetzt, der vierten industriellen Revolution in seiner Heimat zum Durchbruch zu verhelfen. Er stellte im April 2018 seine Strategie unter dem Namen „Making Indonesia 4.0“ vor. Mit dem Masterplan will er die Wirtschaft seines Landes in eine digitale und vernetzte Zukunft führen. Das sieht Jokowi als Voraussetzung, um wie geplant bis 2030 in die Gruppe der zehn größten Volkswirtschaften der Welt aufzusteigen. Diese Vision will Indonesien dieses Jahr auch als offizielles Partnerland der Hannover Messe präsentieren.
Industrie 4.0 in Indonesien bedeutet zunächst noch Ausbau der Automatisierung
Bis der Plan zur Realität wird, gibt es in dem Land aber noch viel zu tun. Zwar verfügt es über zahlreiche Vorzüge – einen gigantischen Markt mit mehr als 260 Millionen Einwohnern, einer rasant aufsteigenden Mittelschicht und ein über Jahre konstantes Wachstum von mehr als fünf Prozent. Doch die Industrie in Asiens drittbevölkerungsreichstem Land hinkt den regionalen Konkurrenten immer noch hinterher. Eine breite Verfügbarkeit von vergleichsweise günstigen Arbeitskräften gaben Unternehmen in der Vergangenheit nur wenig Anreize, in ihren Fabriken in moderne Automatisierungstechnik zu investieren. Der Wettbewerbsvorteil durch die niedrigen Lohnkosten reicht aber immer weniger aus, um Unternehmen von dem Standort zu überzeugen: „Wenn Indonesien für internationale Produktionsunternehmen attraktiv werden will, kann es sich nicht allein mit geringen Personalkosten behaupten“, stellte das Beratungsunternehmen McKinsey in einer Analyse fest. Das Land müsse vielmehr seine industrielle Produktivität dramatisch erhöhen, hieß es.