In dem Science-Fiction-Roman „Die Suche nach der Erde“ von Isaac Asimov muss der Raumschiff-Pilot Golan Trevize nur seine Arme ausstrecken, damit sich der Bordcomputer automatisch mit ihm verbindet. Die Maschine kann die Aktivitäten von Golans Gehirn messen und interpretieren – sie liest seine Gefühle und Gedanken, noch bevor er sie aussprechen kann. Der Pilot steuert das Raumschiff, ohne Hebel und Knöpfe zu bedienen. Sein Wille reicht aus, um es nach links oder rechts zu bewegen. Ein Vorteil dieser Symbiose aus Mensch und Maschine ist die immense Reaktionsgeschwindigkeit. Zwischen der Absicht einer Bewegung und ihrer Ausführung vergehen nur wenige Millisekunden. Der Mensch in Asimovs Roman erweitert mit der Technik seine Fähigkeiten ebenso wie Superhelden in einem Comic. Der aus Südafrika stammende Unternehmer und Investor Elon Musk mag solche Ideen. Seit er mit dem Bezahldienst Paypal reich wurde, investiert er in Zukunftsvisionen: elektrische und selbstfahrende Autos, Raketenflüge zum Mars, Hochgeschwindigkeitszüge unter der Erde. Nun steckte er 100 Millionen Dollar in die US-Firma Neuralink, um Mensch-Maschinen-Schnittstellen wie die aus Asimovs Geschichte wahr werden zu lassen. Musk schweben zum Beispiel telepathische Fähigkeiten vor, sodass sich Menschen mittels Implantaten von Gehirn zu Gehirn gedanklich austauschen können. Die Implantate erfassen die elektrischen Aktivitäten im Gehirn, eine Software interpretiert sie und schickt sie zum Empfänger, wo sie ins Gehirn zurückgespeist wird. Der Mensch brauche solche Fähigkeiten, sagt Musk, um mit künstlicher Intelligenz mithalten zu können. Die Technik ist noch am Anfang, ihre Grenzen sind nicht fassbar – aber erste Anwendungen zeigen, dass das Potenzial vorhanden ist, das Menschsein zu verändern.
Grund für Musks Enthusiasmus ist Neuralinks Ansatz, Gehirnimplantate so sicher und schmerzfrei einzusetzen, als wäre es eine Augenoperation mit Laser. Zudem will Neuralink Signale von Tausenden von Gehirnzellen erfassen. Dazu entwickelte das Unternehmen von Musk einen Roboter, der wie eine Nähmaschine ultradünne Fäden in das Gehirn einbringt. Bislang wurde dies nur an Nagetieren getestet. Die Fäden sind aus zellophanähnlichem Material und entsprechen dem Viertel des Durchmessers eines menschlichen Haares. Sie enthalten leitende Drähte, die winzige Elektroden verbinden. 3000 solcher Elektroden sollen in der Nähe von Neuronen platziert werden, um ihre elektrische Aktivität zu erfassen. Bisher nutzen die Neuralink-Forscher höchstens 265 Elektroden. Je mehr, so die Devise, desto besser versteht man die Gedanken eines Menschen und desto mehr Anwendungen sind denkbar.
Unser Gehirn ist ein neuronales Netzwerk. Es besteht aus ungefähr 100 Milliarden Nervenzellen – den Neuronen – sowie Synapsen, die die Neuronen verknüpfen. Eine Synapse ist eine Lücke zwischen dem jeweiligen Axon eines Neurons, einer Art Leitung für chemische und elektrische Signale, sowie dem Axon des benachbarten Neurons. Die Neuronen tauschen über diese Synapsen Signale aus. Im Gehirn entstehen dabei komplexe Signal-Kreisläufe, die sich laufend verändern, zum Beispiel wenn wir etwas sehen oder hören. Dies ermöglicht es uns, zu denken, zu lernen, zu fühlen. Die Idee hinter Gehirn-Computer-Schnittstellen (englisch: Brain Computer Interface, BCI) ist, grobe Muster in diesen Kreisläufen zu erkennen und zu interpretieren. Meist geht es dabei um die Intention einer Bewegung („Ich möchte meinen Arm heben“) oder um Konzentration („Ich schaue gerade auf ein bestimmtes Wort in einem Satz“).