Die isländische Anlage „Orca“ in einer Luftaufnahme inmitten grüner Wiesen. Weißer Dampf steigt aus den Schornstein auf.

Nachdem das CO2 aus der Umgebungsluft ausgelöst wurde, wird es in der isländischen Anlage „Orca“ den Untergrund geleitet

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12.07.2021 DIRECT AIR CAPTURING Publikation

Emissionsziel: negativ

Viel Zeit bleibt nicht mehr, um die Erderwärmung aufzuhalten. Auf dem Weg zur dringend nötigen CO2- Reduktion zählt Direct Air Capturing zu den Hoffnungsträgern unter den Klimatechnologien. Das Verfahren kann Treibhausgase aus der Umgebungsluft abscheiden und so der Atmosphäre CO2 entziehen.

VON KATJA DOMBROWSKI

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Die Climeworks-Anlage „Orca“ in Island besteht aus zahlreichen Ventilatoren, die CO2-Moleküle aus der Umgebungsluft aufnehmen.

Die Climeworks-Anlage „Orca“ in Island. Wie ein Schwamm nehmen die Kollektoren CO2-Moleküle mithilfe von Ventilatoren aus der Umgebungsluft auf

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Die Ziele des Pariser Klimaabkommens sind ohne drastische Senkung der CO2-Emissionen nicht zu erreichen. Darüber waren sich die Staats- und Regierungschefs einig, als sie sich Ende April zu einer virtuellen Klimakonferenz auf Einladung von US-Präsident Joe Biden trafen. Bleibt die Frage, wie man die weltweit nötige Reduktion erreicht. Fest steht: Ohne die Entnahme von Kohlendioxid aus der Atmosphäre ist die Erderhitzung nicht zu stoppen, denn „es wird immer Emissionen geben, die nicht zu vermeiden sind, zum Beispiel aus der Landwirtschaft“, sagt der Klimaforscher Oliver Geden von der Stiftung Wissenschaft und Politik. „Um Netto-Null-Emissio­nen zu erreichen, brauchen wir daher Carbon Removal.“ Dabei wird CO2 der Atmosphäre nicht nur entnommen, sondern dauerhaft dem Kreislauf entzogen und gespeichert. Unterm Strich würde so CO2-Neutralität herauskommen, ein Ziel, das Deutschland für 2050 anstrebt. Allerdings würde selbst das nicht reichen, um die Erderhitzung auf 1,5°C zu begrenzen: „Wir werden das dafür verbleibende globale CO2-Budget überziehen, das ist heute schon klar“, erklärt Geden. „Für das 1,5-Grad-Ziel brauchen wir daher negative Emissionen.“

Große Hoffnungen für den Klimaschutz liegen auf der Direct-Air-Capture-Technologie (DAC), der direkten CO2-Abscheidung aus der Luft. Dabei drücken große Ventilatoren die Umgebungsluft durch einen Filter, der einen Teil des Kohlendioxids absorbiert. Dafür stehen verschiedene chemische Verfahren bereit. Später wird das CO2 wieder aus dem Filter gelöst und entweder dauerhaft gespeichert (Direct Air Carbon Capture and Storage, DACCS), in der Chemie­industrie oder zur Herstellung von Treibstoffen oder von Kohlenstoff­fasern weiterverwendet.

Die Firma Climeworks, die zu den DAC-Pionieren in Europa gehört, macht beides. Ihre Anlage in Hinwil nahe Zürich, die seit 2017 in Betrieb ist, verkauft das gefilterte CO2 beispielsweise an einen Betreiber von Gewächshäusern und eine Abfüllanlage von Coca-Cola. Beim Projekt „Orca“ in Island wird das Kohlendioxid unterirdisch in Basalt gespeichert, wo es dauerhaft mineralisiert. Die Anlage in Hellisheiði soll in Kürze in Betrieb gehen. Und in einem neuen Projekt in Norwegen, das Climeworks mit der Firma Northern Lights realisiert, wird das verflüssigte CO2 per Pipeline in eine ehemalige Erdgaslagerstätte unter der Nordsee gepumpt.

In den USA erprobt, in Deutschland umstritten

Unter der Erde durchziehen weiße Adern aus Karbonatgestein porösen grauen Basalt.

In 2000 Metern Tiefe geht das CO2 mit Vulkangestein eine feste Bindung ein

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In Deutschland hat die CO2-Speicherung unter der Erde keinen guten Ruf. Kritiker befürchten, diese technische Möglichkeit könnte als Freifahrtschein dafür benutzt werden, weiter ungebremst fossile Rohstoffe zu verheizen, zudem bestünden Risiken für Mensch und Umwelt. Daniel Egger, Marketing- und Vertriebschef von Climeworks, betont jedoch, dass die Speicherverfahren sehr sicher seien: „Im Basalt ist das CO2 fest gebunden, das bekäme man nur mit sehr hohen Temperaturen dort wieder heraus. Und unter dem Meer lagert Erdgas, ohne zu entweichen – wieso sollte es also beim CO2 passieren, dessen Moleküle größer sind?“ Egger verweist zudem darauf, dass die CO2-Speicherung schon seit vielen Jahren erprobt ist, etwa in den USA.

Der ursprüngliche Ansatz von Clime­works, 2009 von zwei deutschen Ingenieuren als Spin-off der ETH Zürich gegründet, war allerdings die Herstellung klimaneutraler synthetischer Kraftstoffe. „Dafür braucht es geschlossene Kreisläufe, und es war klar, dass der dafür notwendige Kohlenstoff nur aus der Luft kommen kann“, so Egger. Im Projekt „Zenid“ plant Climeworks derzeit in einem Konsortium eine Demonstrationsanlage in Rotterdam. Ein mit erneuerbarem Strom betriebener CO-Elektro­lyseur verwandelt dort per DAC gewonnenes CO2 unter Zusatz von Wasser in Synthesegas.

Noch ist das Verfahren nicht wirtschaftlich

Egger sieht in dem Verfahren ein großes Potenzial dort, wo der Einsatz von Batterien oder Wasserstoff schwierig ist, etwa in der Luftfahrt. Klimaforscher Geden sagt: „Für grünen Treibstoff in der Luftfahrt bräuchte man massenhaft DAC.“ Erreicht werden könnte das etwa durch staatlich vorgegebene Quoten. Im Moment ist die weltweite Kapazität noch sehr klein: „Orca“, die größte Anlage von Climeworks, schafft 4000 Tonnen im Jahr – und ist damit nach Unternehmensangaben die größte klimapositive Anlage der Welt.

Theoretisch sind dem Ausbau der Technik kaum Grenzen gesetzt. „Das ist ein großer Vorteil“, so Geden. „Man braucht dafür lediglich erneuerbare Energie und etwas Platz.“ Wenn DAC künftig in großem Maßstab eingesetzt werden sollte, sinken perspektivisch auch die Kosten. Denn noch kostet es laut Climeworks je nach Standort etwa 600 bis 800 Euro, eine Tonne CO2 aus der Luft zu filtern. Bis 2030 hält das Unternehmen einen Preis von 200 bis 300 Euro für realistisch, bei flächendeckendem Einsatz sogar 100 Euro. Erst wenn der CO2-Preis ebenfalls in dem Bereich liegt, könnte das Verfahren wirtschaftlich werden. Das allerdings kann noch einige Jahre dauern.

KATJA DOMBROWSKI ist freie Journalistin in Friedberg (Hessen). Zu ihren Themenschwerpunkten gehören Klimaschutz, Nachhaltigkeit und erneuerbare Energien.