Die Blockchain gilt als disruptive Technologie. Viele Experten gehen davon aus, dass sie die Art und Weise, wie wir Transaktionen durchführen, grundlegend verändern wird. Dabei zeigen Projekte, dass die Datenbank-Technik neben geschäftlichen Vorteilen auch aus sozialer und ökologischer Perspektive einen Mehrwert bringen kann.
So hat zum Beispiel IBM ein System aufgebaut, das sich Farmer Connect nennt. Dieses soll Transparenz in die Lieferkette von Kaffee bringen, die ziemlich komplex ist. Denn an ihr sind viele verschiedene Player beteiligt: Bauern, Exporteure, Transportfirmen, Kaffeeröster und Verkaufsstellen. „Wir haben eine App entwickelt, mit der ein Verbraucher nicht nur zurückverfolgen kann, von welcher Plantage der Kaffee kommt. Er kann darüber auch direkt Verbindung mit dem Bauern beziehungsweise mit der entsprechenden Kooperative in Kolumbien oder Ruanda aufnehmen“, berichtet Christian Schultze-Wolters, der bei IBM als Geschäftsbereichsleiter Blockchain für Deutschland, Österreich und die Schweiz tätig ist. So könne der Verbraucher dort soziale Projekte unterstützen und direkt über die App Geld spenden. „Er kann sich zum einen sicher sein, dass dabei keine administrativen Kosten anfallen. Und zum anderen ist aufgrund der Sicherheit, welche die Blockchain bietet, gewährleistet, dass jeder Euro genau bei dem Projekt ankommt, das unterstützt werden soll.“
Mit einem ähnlich gerichteten Ziel arbeitet auch der Datenbank-Spezialist Oracle mit der Organisation World Bee Project zusammen. Gemeinsam will man ein Label mit dem Namen BeeMark aufbauen, das den Käufern von Honig ein Produkt aus ökologisch nachhaltigen Quellen garantiert. Dafür speichert jedes Mitglied der Honiglieferkette seine Daten in einer Blockchain, die von Oracle bereitgestellt wird. So soll sich der Honig bis zum Bienenstock zurückverfolgen lassen. Zu den Informationen, die veröffentlicht werden, zählen auch Angaben über die Größe der Fläche, die ein Bauer für biologisch vielfältigen Anbau nutzt.
Transparenz, eine der Stärken der Blockchain
In solchen Projekten kann die Blockchain ihre Stärken ausspielen. „Die Blockchain basiert auf einer dezentralen Datenhaltung – das heißt, ein Unternehmen muss seine Daten nicht an einen Dritten liefern“, so Schultze-Wolters. Hinzu kommt, dass die Daten in einer Blockchain nicht unbemerkt verändert werden können. „Die Blockchain erschwert das Betrügen – vor allem dann, wenn wir sie als sogenannte private Blockchain aufsetzen und damit die Transparenz noch mehr erhöhen“, sagt der IBM-Mann. Wichtig sei außerdem, dass Daten einem Ökosystem nahezu in Echtzeit zur Verfügung gestellt werden können – weltweit und rund um die Uhr.
Das Prinzip lässt sich auf viele Branchen übertragen: Kaya&Kato, ein Hersteller von Arbeitskleidung, hat ebenfalls mit IBM eine Kooperation gestartet, um mithilfe der Blockchain nachvollziehen zu können, wo die Textilien hergestellt und wie die Stoffe verarbeitet wurden. „Transparenz von der Faser bis zum Endprodukt“ ist laut einer Pressemeldung von Kaya&Kato das erklärte Ziel des Projekts, das vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung unterstützt wird.
Plastic Bank setzt ebenfalls auf die Blockchain als Mittel zum Kampf gegen die Umweltverschmutzung durch Plastik. Dafür hat das Unternehmen in Ländern mit einer hohen Armutsquote wie etwa den Philippinen Sammelstationen für Kunststoffabfälle eingerichtet. Menschen, die Plastikmüll sammeln und dort abgeben, erhalten dafür Geld – in virtueller Form über das Smartphone. Mit diesen digitalen Token können sie Lebensmittel kaufen, Freiminuten bei ihrem Telekommunikationsanbieter erwerben oder ihre Kinder auf eine Schule schicken.
Auch in der Autoindustrie kann die Blockchain Gutes tun und für Transparenz sorgen. Etwa, wenn es um den Abbau des Batterie-Rohstoffs Kobalt geht, der häufig unter fragwürdigen Bedingungen gewonnen wird. Konkret geht es in einem Projekt um die Rückverfolgung von Kobalt aus den Minen im Kongo. Involviert sind neben IBM die Autobauer Ford, Volvo, Fiat Chrysler, VW sowie die Minengesellschaft Glencore und der Auditor RCS.
Für solche Unternehmen ist es aus rein technischer Sicht natürlich kein Problem, sich an einer Blockchain zu beteiligen. Für einfache Bauern in Afrika oder Südamerika dürfte dies dagegen schwieriger sein. Wie das gelöst wird, erklärt Schultze-Wolters am Beispiel Biobaumwolle. In Uganda, dem Schwerpunkt des Projekts, seien die Bauern unter anderem in Kooperativen organisiert. „Dies ist die erste Einheit, an der ein solcher Digitalisierungsprozess beginnt.“
Zugangsvoraussetzungen noch verbesserungswürdig
Joachim Lohkamp, Vorstandsmitglied im Bundesverband Blockchain, sieht allerdings ein grundsätzliches Problem, wenn es um den Zugang zu solchen Projekten geht. Die Art und Weise, wie die Blockchain in diesen Fällen genutzt wird, widerspreche ihrer Definition als einem offenen Netzwerk. Er kritisiert, dass die Technologie als private Blockchain auf bestimmte Teilnehmer begrenzt ist. „Es ist ganz interessant, dass diese Social-Impact-Projekte geschlossene Systeme verwenden“, sagt Lohkamp. „Denn ein ganz wichtiger Punkt ist ja der Zugang zu dieser Technologie. Und der bleibt dann Einzelnen verwehrt.“ Er sieht aber ebenfalls großes Potenzial der Technologie für solche Zwecke. „Von der Intention her finde ich die Blockchain-Projekte, die etwa IBM macht, sehr gut. Aber diese könnten in der nächsten Phase noch besser umgesetzt werden.“
Schultze-Wolters sieht dagegen kein Problem: „Auf den Plattformen, die wir anbieten, agiert jeder auf Augenhöhe. Es gibt keine hierarchischen Strukturen. Es handelt sich um offene Industrie-Plattformen.“
MARKUS STREHLITZ ist freier Journalist und Redakteur beim VDE dialog.
Weiterführende Info:
Ausführliche Informationen zur Blockchain-Technologie siehe VDE dialog Ausgabe 3/2017