Julia Migenda
Julia Migenda
29.09.2020 Publikation

»Fördern und fordern«

Seit 2014 hat das Volumen an Elektroschrott weltweit um rund ein Fünftel zugenommen. Ausweg aus der Sackgasse ist eine nachhaltige Kreislaufwirtschaft – der Gegenentwurf zur Wegwerfwirtschaft. Mit seinen Dienstleistungen liefert das VDE Institut wichtige Hilfestellungen für Hersteller von Elektroprodukten. Ein Interview mit Dr. Julia Migenda, Leitung Koordination Umwelt und Nachhaltigkeit bei VDE DKE.

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Warum ist der Prozess der Circular Economy (Kreislaufwirtschaft) noch nicht weiter vorangeschritten?

Das Konzept der Circular Economy hat noch viele Hürden zu nehmen. Beispielsweise sind Geschäftsmodelle, die es unterstützen, wie die Reparatur oder Wiederaufbereitung von Produkten, oft teurer als ein neues Produkt. Es besteht häufig ein Konflikt zwischen wirtschaftlicher Rentabilität, ökologischen Gesichtspunkten, Qualität und Verfügbarkeit von Ersatzteilen. Eine weitere Herausforderung ist die Messbarkeit von zirkulären Ansätzen, wie die Reparierbarkeit oder Recyclingfähigkeit eines Produktes. Dies ist eine grundlegende Voraussetzung für die Bewertung und Vergleichbarkeit von Produkten. Zusätzlich muss das Gewinnen der Rohstoffe aus komplexen Produkten im großen, industriellen Maßstab wirtschaftlicher werden.

Welche Anreize müssen der Industrie gesetzt werden, um verstärkt in eine nachhaltige Produktion zu investieren?

Damit der Markt sich proaktiv für das Kreislaufwirtschaften entscheidet, sind weitere finanzielle Anreize zu schaffen. Diese können fördern – staatliche Investitionsprogramme – oder fordern, wie beispielsweise bei Steuern, Abgaben (CO₂-Steuer) und gesetzlichen Vorgaben oder Verboten. Auch die Konsumenten sind gefragt, die Circular Economy zu unterstützen und das Konsumverhalten im Ganzen zu verändern. Aufklärung, Informationen und Transparenz für den Verbraucher spielen hier eine große Rolle.

Welche Rolle spielen Normen und Standards bei der Circular Economy?

Normen und Standards spielen eine zentrale Rolle bei der Entwicklung hin zu einer Circular Economy. Mithilfe von Normen und Standards kann die technische Umsetzung des Circular Economy-Konzepts effizient, kostengünstig, zuverlässig und vor allem sicher gestaltet werden. Durch die Arbeit in Normungsgremien können zum Beispiel Hersteller und Recycler zusammengebracht und somit die Kommunikation entlang der Wertschöpfungskette verbessert werden, sodass die beschriebenen Herstellungsverfahren um die darauf abgestimmten Recyclingverfahren ergänzt werden. Ebenfalls unterstützen und entlasten Normen und Standards die gesetzliche Regelsetzung, beispielsweise bei der Sammlung, Logistik und Behandlung von Elektroaltgeräten, und fördern Innovationen im gesamten Lebenszyklus eines Produkts von der Herstellung bis zur Entsorgung. Bereits jetzt tragen Normen und Standards erheblich zur Einsparung von Energie und somit zu einer Reduktion von Treibhausgasemissionen bei. Sie helfen, die Ressourcen­effizienz in der gesamten Wertschöpfungskette zu steigern und Produkte umweltfreundlicher zu gestalten.

Die Fragen stellte Gerd Rückel.