Interview Graeter
©IPAI/MVRDV
01.10.2025 VDE dialog

IPAI: „Eine europäische Antwort“

Der „Innovation Park Artificial Intelligence“ (IPAI) in Heilbronn soll zu einem der größten KI-Standorte Europas werden – so das ambitionierte Ziel der Gründer. Was es damit auf sich hat, erklärt der CEO Moritz Gräter.

Interview: Martin Schmitz-Kuhl

VDE dialog: Was ist das Besondere am so genannten IPAI, dem „Innovation Park Artificial Intelligence“?

Moritz Gräter: Wir etablieren hier in Heilbronn mit IPAI ein signifikantes Ökosystem für angewandte Künstliche Intelligenz, das in Europa einzigartig ist. Aktuell sind über 70 Unternehmen und Institutionen Mitglieder und Partner unserer Innovationsplattform. Ein entscheidender Schritt ist der Spatenstich für den IPAI CAMPUS im November dieses Jahres. Auf einer Fläche von 30 Hektar schaffen wir physischen Raum für rund 5.000 Menschen, die hier die Zukunft der KI gestalten werden. Unser Ziel ist die end-to-end-Abbildung der KI-Wertschöpfungskette und die gezielte Beschleunigung des Technologietransfers, um KI-Lösungen vom Prototyp bis zur industriellen Skalierung zu begleiten und in Produkte, Prozesse und Dienstleistungen zu integrieren.

Der IPAI wird aber kein deutsches KI-Kompetenzzentrum innerhalb der deutschen KI-Strategie sein. Ist das nicht ein entscheidender Nachteil?

Das sehen wir nicht als Nachteil, sondern als bewusste strategische Positionierung. Die deutschen KI-Kompetenzzentren konzentrieren sich auf fundamentale Grundlagenforschung. IPAI sieht seine Rolle komplementär dazu: Wir betreiben keine Grundlagenforschung, sondern fungieren als Brückenbauer zwischen Spitzenforschung und industrieller Anwendung. Wir bieten den Rahmen, damit sich exzellente Forschungsergebnisse mit der Anwendungsexpertise des deutschen Mittelstands und konkreten industriellen Anwendungsfällen verknüpfen. Diese Symbiose unterstützt den Transfer von KI-Wissen in Produkte und Lösungen.

Porträtfoto von Moritz Gräter

Moritz Gräter, CEO IPAI

| ©IPAI/MVRDV

Der Claim des IPAI lautet „Creating The Global Home of Human AI”. Wie wollen Sie sicherstellen, dass KI-Anwendungen auf dem IPAI-Campus nicht nur leistungsfähig, sondern auch gesellschaftlich akzeptiert und rechtlich abgesichert sind?

Dieser Claim ist das Fundament unserer gesamten Arbeit und verpflichtet uns dazu, KI konsequent im Dienste des Menschen zu gestalten. Ein zentraler Pfeiler dieser Strategie ist die IPAI Foundation – der gemeinnützige Zweig unserer Arbeit, den wir als eigene Institution aufgestellt haben, um einen robusten ethischen Rahmen für die KI-Entwicklung zu schaffen und aktiv zu fördern. Ihre Kernaufgabe ist es, Prinzipien wie Transparenz, Fairness und Datenschutz in den Fokus zu rücken und den gesellschaftlichen Dialog durch Formate wie das KI-Festival, den KI-Salon oder die IPAI Living Room Sessions in unserem Besucherzentrum aktiv zu gestalten. Die IPAI Foundation ist somit unser institutioneller Anker, um KI zu realisieren, die nicht nur technologisch leistungsfähig, sondern auch integriert, vertrauenswürdig und menschenzentriert in der Gesellschaft wirkt.

Inwiefern wird der Campus selbst ein Innovationsobjekt sein? Sie sprechen ja auch vom IPAI als „lebendigem Reallabor“. Was heißt das konkret, etwa für Mobilität, Energieversorgung oder digitale Governance?

Das bedeutet, dass die gesamte Infrastruktur und das Alltagsleben auf dem Campus als Testfeld für KI-Anwendungen dienen, die unter realen Bedingungen erprobt, weiterentwickelt und skaliert werden können. Für den Bereich Mobilität heißt das konkret: Wir implementieren und testen etwa autonome Shuttle-Dienste, intelligente Verkehrssteuerungssysteme und adaptive Parkplatzlösungen direkt auf dem Campus. Bei der Energieversorgung wird der Campus ein Vorreiter für nachhaltige und KI-optimierte Energiesysteme sein – mit intelligenten Stromnetzen, die Verbrauch und Erzeugung aus erneuerbaren Quellen in Echtzeit steuern. Für die digitale Governance modellieren wir, wie KI Verwaltungsprozesse effizienter, transparenter und bürgerfreundlicher gestalten kann – von intelligenten Gebäudemanagementsystemen bis hin zu datenschutzkonformen Zugangs- und Sicherheitslösungen. Der Campus wird somit zu einem lebendigen Demonstrator für die Smart City der Zukunft.

Welche Rolle spielen deutsche und internationale Partner – und wie können Start-ups und Mittelstand konkret von diesem Ökosystem profitieren?

IPAI sehen wir als die europäische Antwort auf die globale KI-Landschaft. Der Fokus liegt dabei auf europäischen Werten wie Datensouveränität, ethischen Prinzipien, Kooperation und Nachhaltigkeit. Ziel ist es, eigene technologische Lösungen zu entwickeln, die den spezifischen Anforderungen und dem Wertekanon Europas gerecht werden. Dabei sind unsere deutschen und internationalen Partner zentral, da sie ihr Know-how, ihre Daten und ihre Anwendungsfälle einbringen. IPAI agiert als Kurator und Katalysator, indem es relevante Inhalte identifiziert, strukturiert bereitstellt und den Austausch fördert. So erhalten insbesondere der deutsche Mittelstand und Start-ups direkten Zugang zu den neuesten KI-Technologien, Best Practices und konkreten Implementierungsbeispielen. Die enge Verbindung von Forschung, Industrie und Unternehmertum auf Basis europäischer Werte macht IPAI zu einem starken Akteur im Zeitalter der Künstlichen Intelligenz.

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