Porträtfoto von Dr. Volker Ziegler mit grauem Anzug und Krawatte

»Die Raumfahrt steht vor einem Paradigmenwechsel. Wir brauchen jetzt eine Judo-Strategie, um nicht hinterherzulaufen.«

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06.07.2021 Publikation

Megawette im New Space

"Die Raumfahrt steht vor einem Paradigmenwechsel. Wir brauchen jetzt eine Judo-Strategie, um nicht hinterherzulaufen", fordert Dr. Volker Ziegler, Stellvertretender Vorsitzender der Informationstechnischen Gesellschaft im VDE, im Editorial.

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Auch in Deutschland können Verbraucher zwischenzeitlich die Betaversion eines von einem US-Raumfahrtunternehmen betriebenen Satellitennetzwerks nutzen, das künftig weltweiten Internetzugang bieten soll. Und ein weiterer Anbieter aus den USA steht mit dem zugehörigen zweistelligen Milliardenkapital in den Startlöchern, Zehntausende von Satelliten mit erdnaher Umlaufbahn (LEOs) ins All zu schießen, um einen erwarteten globalen Milliardenmarkt mit Kommunikations- und Mehrwertdiensten zu adressieren. Neben der großen Zahl an LEO-Satelliten mit geringem Gewicht und industrieprozessorientierter Fertigung ist es der Ansatz kostengünstiger und wiederverwendbarer Raketenstufen, welche einen fundamentalen Paradigmenwechsel in der Raumfahrt eingeläutet haben – Startkosten von LEO-Satelliten sollen sich bis zu einem Faktor 100 bis zum Jahr 2030 reduzieren lassen. Sind wir damit in Deutschland und Europa uneinholbar ins Hintertreffen geraten?

»Die Raumfahrt steht vor einem Paradigmenwechsel. Wir brauchen jetzt eine Judo-Strategie, um nicht hinterherzulaufen.«

Tatsächlich dürfte sich der Rückstand Deutschlands und Europas bei den LEO-Megakonstellationsprojekten nicht mehr so einfach aufholen lassen. Was wir jetzt brauchen, ist eine Judo-Strategie, welche sich definieren könnte aus deutschen und europäischen Technologie- und Anwendungsbausteinen in Verbindung mit schnellem Handeln, Flexibilität und Hebelwirkung. Satellitengestützte Kommunikations- und Mehrwertdienste sind immer als Ergänzung zu terrestrischen Systemen zu sehen, um die Abdeckung dort zu gewährleisten, wo sich erdgestützte Lösungen betriebswirtschaftlich nicht rechnen. Insofern bieten sich für Deutschland und Europa durchaus interessante Optionen der Technologieführerschaft mit europäischen oder deutschen LEO-Systemen, eingebunden in Mobilfunknetze der fünften und sechsten Generation. Der besondere Vorteil dieses Ansatzes läge in der unmittelbaren Nutzbarkeit von 5G- / 6G-Endgeräten und -Sensoren sowohl mit terrestrischen als auch nichtterrestrischen Kommunikationsnetzen mit den dazugehörigen Kostenvorteilen eines bestehenden globalen Ökosystems. Gleichzeitig gilt es, den milliardenschweren Förderrahmen der Europäischen Kommission für Raumfahrt-Innovation und Technologietransfer konsequent zu nutzen, insbesondere auch zur Unterstützung von KMUs zur Entwicklung von alternativen Technologien und Geschäftsmodellen.

Ich wünsche Ihnen eine anregende und informative Lektüre!

Ihr

Dr. Volker Ziegler

Stellvertretender Vorsitzender der Informationstechnischen Gesellschaft im VDE